ZWANGSARBEIT

„Im August 1944 waren im Gebiet des „Großdeutschen Reiches“ 7615970 ausländische Arbeitskräfte als beschäftigt gemeldet; davon 1,9 Millionen Kriegsgefangene und 5,7 Millionen zivile Arbeitskräfte; darunter 250000 Belgier, 1,3 Millionen Franzosen, 590000 Italiener, 1,7 Millionen Polen, 2,8 Millionen Sowjets. Mehr als die Hälfte der polnischen und sowjetischen Zivilarbeiter waren Frauen, ihr Durchschnittsalter lag bei etwa 20 Jahren. Fast die Hälfte aller in der deutschen Landwirtschaft Beschäftigten waren Ausländer, im Metall-, Chemie-, Bau- und Bergbausektor etwa ein Drittel, in reinen Rüstungsbetrieben bis zu 50% ... “ (zitiert nach Ulrich Herbert, Fremdarbeiter).
7615970 Menschen, die man verharmlosend Fremdarbeiter nannte. Dass die Kriegsgefangenen nicht freiwillig im deutschen Reich waren, versteht sich von selbst, aber auch die zivilen Arbeitskräfte waren zum großen Teil gegen ihren Willen aus ihrer Heimat verschleppt worden. Denn auf die Aufrufe der deutschen Besatzungsmacht, freiwillig zu einem Arbeitseinsatz ins deutsche Reich zu kommen, hatte sich kaum jemand gemeldet – zu abschreckend waren die Nachrichten, die von den schon in Deutschland beschäftigten Landsleuten in die Heimat drangen. Die Besatzungsbehörden gingen daher zu anderen Methoden über, zumal der Arbeitskräftemangel im deutschen Reich mit Fortdauer des Krieges immer gravierender wurde: Zwang, Nötigung und schlichte Verschleppung. Straßen wurden abgeriegelt und alle Passanten nach Deutschland verfrachtet (so wie im Roman beschrieben), Kinos und Kirchen umstellt, um die Besucher abzugreifen, Lebensmittellieferungen an die besetzten Orte von einer genügend großen Anzahl „Freiwilliger“ abhängig gemacht, die sich zum Arbeitseinsatz meldeten usw.
Was die Zwangsarbeiter im deutschen Reich erwartete, welche Arbeitsbedingungen sie vorfanden, hing zum größten Teil davon ab, welchen Platz in der Rassenideologie der Nazis sie einnahmen. Ganz oben auf der Rangliste standen Norweger, Dänen und Niederländer, die als Angehörige verwandter nordische Rassen angesehen wurden, ganz unten die Menschen aus der damaligen Sowjetunion, kurz Ostarbeiter genannt, knapp darüber die Polen. Die Rassenideologie bestimmte darüber, wie der einzelne Arbeiter bezahlt und wieviele Kilokalorien ihm zugestanden wurden, welche Kleidung er bekam, ob er hinter Gittern im Lager leben musste und wie eventuelles Fehlverhalten bestraft wurde. Für polnische und sowjetische Arbeiter waren die Strafen hart und brutal, die Todesstrafe (z.B. für die Liebesbeziehung zu einer deutschen Frau) häufig. Polnische Fremdarbeiter wurden in den Polenerlassen 1940 (s.dort) u.a. als erste dazu gezwungen, ein diskriminierendes Abzeichen an ihrer Kleidung zu tragen; ein Modell für die spätere Einführung des sogenannten Judensterns. 

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